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Die genderneutrale Bezeichnung für Muttermilch

(Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag, der ursprünglich auf Facebook publiziert wurde.)

Ich bin ja überzeugt, dass auf fast alles eine konsensfähig korrekte Antwort gefunden werden kann. Diese oberflächlichen Twitter- und Facebook-Einzeiler nerven mich und treiben mich in diesen arbeitsfreien Tagen zu einer ernsthaften Antwort, auch wenn ich mir der Komik bewusst bin, die einem solch pedantischen Beitrag inhärent ist. Doch Hohn, Sarkasmus und Flachwitz findet man heute im Übermaß, also ist dieser Beitrag vielleicht eine erfrischende Abwechslung.
Einige Dinge müssen zu Beginn geklärt werden: Das Gender ist etwas Anderes als das biologische Geschlecht, es ist das „soziale Geschlecht“ (siehe Wikipedia: Gender). Außerdem gibt es das grammatikalische Geschlecht. In der genderneutralen Sprache werden Konstrukte wie „Bürger*in“ verwendet, in der gut gemeinten Absicht, alle Geschlechter zu inkludieren.
Annika Spahn fragt in einem ähnlichen Bestreben also nach einem genderneutralen Begriff für „Muttermilch“.
Vermutlich zielt sie auf das Wort „Mutter“ ab, aber auch das gesamte Wort ist weiblich. Es handelt sich bei „Muttermilch“ um ein Kompositum, somit wird das Geschlecht des Wortes nicht durch „Mutter“ bestimmt, sondern durch „Milch“. Es ist also auf den grammatikalischen Kopf des Kompositums zu achten.

Der grammatikalische Kopf einer Konstruktion überträgt seine grammatischen Eigenschaften auf das ganze Wort und steht beim Kompositum im Deutschen (und anderen germanischen Sprachen) in der Regel rechts außen (man sagt daher, das Kompositum sei rechtsköpfig). Der grammatikalische Kopf kann hierbei von dem Kern unterschieden werden: Während der Kopf die grammatischen Eigenschaften des zusammengesetzten Ausdrucks bestimmt, ist der Kern für die semantischen Eigenschaften zuständig.

(Quelle: Wikipedia)

Was also ist ein genderneutraler Begriff für Milch? Das Milch- und Margarinegesetz bietet folgende Definition:

Milch: das durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnene Erzeugnis der normalen Eutersekretion.

Somit liegt das Wort „Sekret“ nahe, welches grammatikalisch sächlich ist. Folglich ist „Muttersekret“ das gesuchte Wort.

Gehen wir nun nach der typischen und von Annika Spahn vermutlich intendierten Interpretation der Frage, sollte jedoch das Wort „Mutter“ ersetzt werden. Das ist einfach: Elter. Es ist das Singular von „Eltern“ und ebenfalls grammatikalisch sächlich (siehe auch meinen Artikel Für die Verwendung von „Elter“). In dem Sinne wäre „Eltermilch“ das richtige Wort. Selbstverständlich täuscht dies nicht über die biologische Realität hinweg, dass nur ein Elter mit sekundären weiblichen Geschlechtsorganen Eltermilch spenden kann. Dieses Elter kann natürlich trotzdem ein anderes Gender (soziales Geschlecht) und z. B. hauptsächlich männlich assoziierte Eigenschaften haben oder sich selbst als eines der 60 von Facebook anerkannten Gender identifizieren, beispielsweise als Trans*Mensch, Inter*, XY-Frau, nicht-binär, oder viertes Geschlecht.

Als in jeder Hinsicht genderneutrales Wort lässt sich also „Eltersekret“ bilden. Um zu prüfen, ob man nicht ganz falsch liegt, kann man die Frage stellen: „Ist Muttermilch das Sekret eines Elters?“, was bejaht werden kann.

Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass Frau Spahn hier eine unnötig spezifische Frage gestellt hat, denn es ging ihr anscheinend um die genderneutrale Form des Wortes „Mutter“, jedenfalls wurde die Frage allgemein so aufgefasst. Die Lösung „Elter“ ist trivial und löst nebenbei – als Lösung eines allgemeineren Falles – auch alle anderen, in denen das Determinans des Determinativkompositums „Mutter“ ist, z. B. „Mutterland“ oder „Muttersprache“. Frau Spahn hätte einfach nach der genderneutralen Bezeichnung für „Mutter“ fragen sollen; aber sie tat es ja nicht, stiftete Verwirrung, und ich verbleibe mal wieder kopfschüttelnd über das, was die Themen und Diskussionsstränge in den sozialen Medien über unsere Gesellschaft aussagen.

2 Kommentare

  1. Johanna Kaiser

    Da muss man aber höllisch aufpassen, dass niemand das l in „Elter“ als großes i liest – das wäre nicht nur unappetitlich, sondern auch gesundheitsschädlich.

    Ernsthaft; hier wird die Grenze vom sozialen und sprachlichen „gender“ zum biologischen „sex“ überschritten.

    Jede Person – was ist eigentlich das genderneutrale Äquivalent zu Person? – die sich angesichts des galoppierenden Genderwahns kritisch äußert, wird ja gern in die extrem konservative Ecke gestellt.
    Da nützen keine Argumente. Deshalb bleibt mir nur zu konstatieren, dass ich das ganze als Vergewaltigung meiner Mutter-, Verzeihung, Eltersprache fühle. Und Vergewaltigung ist und bleibt die schlimmste Art der Unterwerfung von Frauen in der patriachalischen Gesellschaft.
    Oder?

    • admin

      Ein guter Einwand, das mit dem großen i!

      Der Duden verschärft ja die Angelegenheit noch, da er sich mit seinen neuesten Interpretationen der Sprache vom deskriptiven zum präskriptiven Werk wandelt. Das Wort „Person“ ist genderneutral, es ist nur grammatikalisch feminin (in meinem Artikel habe ich bewusst auch das grammatikalische Geschlecht beachtet, weil es Hardliner gibt, die sich auch daran stören). Auch von solchen Wörtern, die uns doch sehr Erleichterung verschaffen würden, möchte der Duden aber mittlerweile weg, siehe https://www.duden.de/rechtschreibung/Menschin. Die Gräben zwischen männlich und weiblich werden vertieft.

      Ich hoffe, es ist klargeworden, dass der Artikel eher satirisch gemeint ist. Ich wollte nur einmal aufzeigen, wie man es „richtiger“ machen müsste, und was das für Konsequenzen hätte.

      Ich trage mich auch mit dem Gedanken, zu dem vermutlich zentralen Missverständnis des generischen Maskulinums einen Artikel zu schreiben. Falls ich nicht dazu komme, kann man sich das auch selber anlesen: https://www.amazon.de/Deutsch-f%C3%BCr-Dichter-Denker-Muttersprache/dp/3948287066. Aber die Erklärung benötigt etwa 100 Seiten und führt einen tausende Jahre bis in die proto-indogermanische Sprache zurück.

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