Am stärksten geprägt haben mich zwar die Sachbücher Gödel, Escher, Bach und Einsicht ins Ich (beide von Douglas R. Hofstadter), aber an dritter Stelle kommt ein Roman: Cyber-City von Greg Egan. Vor etwa einem Jahr nahm ich es nochmals in Angriff, brach es aber ab. Es zählt zur Hard-Scifi, und ist selbst in dem Bereich noch besonders schwierig und dröge. Als Kind mit scheinbar unendlich Zeit hatte ich mehr Geduld mit solchen Texten (und bin viel tiefer in Bücher versunken). Ein Rezensent auf Amazon fasst hervorragend in Worte, wie das Buch typischerweise rezipiert wird und wie sehr sich das Durchhalten lohnt.
Dieses Buch ist grottig. Das war mein Gedanke, als Zeile um Zeile Maria zum ersten Mal mit dem Autouniversum arbeitete. Die Passage war an Langeweile und mangelnder erzählerischer Kunst nicht zu übertreffen. Wenngleich das Buch mehrere solcher Momente kennt, war das für mich der schlimmste. Als ich ungefähr die Hälfte gelesen hatte, las ich nur aus purem Trotz weiter, dieses öde Werk abhaken zu können. Ich lese prinzipiell Bücher zu Ende. Und zu diesem Zeitpunkt stand für mich schon mal eines fest: Ich werde dieses Buch definitiv NICHT als eines der Besten je von mir gelesenen einschätzen.
Und ich tat es doch.[…]
Was aber all diese kritischen Stimmen auszeichnet ist auch, dass sie das Buch nicht zu Ende gelesen haben. Ein großer Fehler. Denn wenn man trotz aller Qual bei der Stange bleibt, trotz des aufkommenden Desinteresses weiter mitdenkt und das Geschriebene nachvollzieht ‚ sprich die Hürden überwindet ‚ wird man am Ende feststellen, einen sehr wertvollen Roman gelesen zu haben. Einen Roman, der am Schluss die langwierigen Erklärungen des Anfangs logisch, ja nötig erscheinen lässt, ohne die so ein tolles Gesamtwerk nicht möglich gewesen wäre.
Es ist wahr, zwischendurch wollte ich das Buch am liebsten einfach zur Seite werfen, nach der letzten Zeile war ich hellauf begeistert.
[…]
Eine Warnung muss ich dennoch aussprechen: Wer Bücher als bloßes Medium der Unterhaltung betrachtet: Verschwenden Sie nicht ihre Zeit. Dieses Buch unterhält vor allem dadurch, anzuregen.
Die vom Rezensenten als besonders öde hervorgehobene Stelle war übrigens genau die, an der ich meine Lektüre abbrach. Über viele Seiten wird beschrieben, wie Maria simulierte Bakterien manipuliert.
Als sehr irritierend empfinde ich, dass das Buch von Bastei Lübbe verlegt wurde. Diese Tatsache, zusammen mit der Tagline „Sie bauen eine Stadt am Rande der Ewigkeit“ und dem beinahe trashigen Titel, adressiert die Zielgruppe zu ungenau. Mittlerweile wird der Roman von Heyne verlegt, was viel besser passt. Der Originaltitel ist Permutation City, worin sich Greg Egans Leidenschaft für Mathematik widerspiegelt (siehe auch sein Artikel zu Superpermutationen). Seine Romane nutzt er, um seine Gedankenexperimente auszuarbeiten und zu veranschaulichen (siehe auch sein FAQ zu Cyber-City, das man aber erst nach dem Buch lesen sollte).
Das berechnete Bewusstsein
Ein nicht geringer Teil des Buches widmet sich Experimenten zur Kontinuität des Bewusstseins. Bis heute frage ich mich, ob es diese Kontinuität in einem Rechner, der mit getakteten Chips arbeitet, eigentlich geben kann. Was verbindet einen Takt mit dem anderen? Wäre das Bewusstsein zwischen zwei Takten nicht „tot“, also nicht-existent?
Greg Egans Gedankenexperimente haben gemeinsam, dass der Protagonist bis 10 zählen soll. Währenddessen werden die Zustände des Rechners, der sein Bewusstsein berechnet, auf verschiedene Arten manipuliert. So werden zum Beispiel die Geisteszustände, in denen sich das Bewusstsein beim Zählvorgang befindet, in zufälliger Reihenfolge simuliert oder auf hunderte von Prozessoren aufgeteilt. Das Bewusstsein bemerkt dies nicht. Ebenfalls bemerkt das Bewusstsein keine Verlangsamung seiner Berechnung oder beliebig lange Pausen. Dies ist logisch unter der Annahme, dass die tatsächliche Zerhackung der Gedanken durch die Takte des Rechners dem Bewusstsein nicht die Illusion seiner Kontinuität nimmt. Falls dies wirklich so wäre, falls also trotz Nanosekunden-Tod eine subjektive Kontinuität vorhanden wäre, dann wäre sogar der Tod in der realen Welt potentiell nur die nicht wahrnehmbare Unterbrechung zwischen zwei Seins-Zuständen (allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass nach längerer Zeit eine Materie-Konfiguration auftritt, die das Bewusstsein fortführt. In einem unendlich andauernden Universum würde dies jedoch, wenn die Umstände nicht speziell ungeeignet sind, zwingend passieren.).
Andere Werke
Da Greg Egan eine Sonderrolle einnimmt (ich kenne keine vergleichbaren Autoren), seien hier noch andere Werke erwähnt. Cyber-City ist Teil des Subjective Cosmology Cycles, dessen drei Bücher jedoch lediglich durch ähnliche Ideen verbunden sind. Sie sind unabhängig voneinander.
Für seine Novelle Oceanic bekam er den Hugo Award, für Distress (auf deutsch als Qual erschienen) erhielt er den deutschen Kurd-Laßwitz-Preis.
Den Roman Diaspora habe ich noch ungelesen im Regal stehen. Aber er ist als eines der nächsten Bücher vorgemerkt.
Manchmal ist Egans Gedankenwelt so fremdartig und dennoch so unglaublich schlüssig, dass man nicht weiß, warum man von Dingen so fasziniert sein kann, die man doch augenscheinlich so wenig versteht. Seine Ideen – ein Waisenkind, das in die virtuelle Welt einer Polis geboren wird – und seine Erklärungen eröffnen Perspektiven, die einem schlichtweg den Atem verschlagen. Wer sich aus Neugier vorab schon an die englische Version von Diaspora gemacht hat wird die deutsche Ausgabe heiß ersehnt haben und schnell den Wunsch verspüren, den Übersetzer kennen zu lernen. Ein brillantes Buch, das stellenweise so hell leuchtet, dass es das Gehirn zu kochen droht. Hard-SF hat einen neuen Namen und der heißt Greg Egan. (Wolfgang Tress)
(Quelle)
Richtig heiß bin ich auf Dichronauts, allerdings hoffe ich auf eine deutsche Übersetzung. In dem Buch geht es um eine Welt, in der sich das Licht nicht nach Norden oder Süden ausbreiten kann. Dies scheint mit den mathematischen Regeln der Welt zusammenzuhängen. Der Protagonist kann, wie alle anderen, nur nach Osten oder Westen sehen und sich nur in diese Richtungen bewegen. Würde er sich nach Norden oder Süden drehen, würde sein Körper unendlich gedehnt. In seinem Kopf lebt außerdem ein Symbiont.
Die Reaktionen sind bereits vielversprechend:
„Impressively bizarre . . . Egan may have out-Eganed himself with this one.“ –Publishers Weekly“
Egan (The Arrows of Time, 2014, etc.) specializes in inventing seriously strange worlds; this one might well be his weirdest yet.“ – Kirkus Reviews
I haven’t been this surprised and entertained by world building for a long time, and I was beginning to think I had outgrown science fiction. I hadn’t. I just didn’t know how far it could go. – Daniel M. Bensen
Ich möchte gar nichts über den Inhalt sagen, nur so viel: ich war auf jeder Seite geflasht. Wie kommt man darauf sich so ein Universum vorzustellen!? – Ulrike
(Quelle)