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Ein Fall von Feindesliebe und seine lebensverändernde Wirkung

Imam Tawhidi ist einer der Menschen, die einen plötzlichen, geradezu märchenhaften Wandel durchgemacht haben, und dadurch zu einem Symbol wurden. Als Imam predigte er früher Hass gegen Juden. Dem muslimischen Glauben verpflichtet und entsprechend geformt, ist sein Wandel ungewöhnlich und sehr bemerkenswert. Im folgenden Video erzählt er, wie ein einzelnes, vergleichsweise unbedeutendes Ereignis ihn radikal geändert hat. Das Video dauert über 21 Minuten. Es ist spannend, aber wer sich etwas Zeit sparen will, kann ab 4:30 einsteigen.

Imam Tawhidi on how he reformed from hater to lover

Wer noch mehr Zeit sparen will, für den schreibe ich hier eine Zusammenfassung. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass Tawhidi selbst absichtlich keinen Artikel dazu geschrieben hat, sondern seine Erzählung als Video vermitteln möchte; offenbar, weil die Botschaft auf diese Art besser vermittelt wird.

Er sagt, es sei einer der schlimmsten Tage seines Lebens gewesen, als zudem bei strömendem Regen sein Auto zwischen Melbourne und Shepparton versagte. Es war nach Feierabend von Autowerkstätten und er kannte niemanden, der ihm hätte helfen können (bzw. wollte seiner Familie nicht anderthalb Stunden Fahrt abverlangen). Er hatte das Warnblinklicht aktiviert und Zeichen gegeben, damit irgendjemand anhielt. Hunderte von Autos fuhren vorbei, kein einziges hielt. Sogar in seinen Bart hatte er Hoffnung gesetzt, denn ein Muslim hätte ihn als Glaubensbruder erkennen können. Schließlich stellte er sich darauf ein, im Auto zu übernachten und am nächsten Morgen einen sehr weiten Weg bis zur nächsten Highway-Abfahrt zu gehen, um Hilfe zu holen.  Da die Sonne noch nicht untergegangen war, setzte er sich mit einem Buch in das Gras neben seinem Auto und las. Vor dem folgenden Ereignis schildert Imam Tawhidi noch: „2014 war das Jahr, in dem ich aus dem Irak zurückgekehrt war. Ich war von einer gut 10-jährigen Reise in den Iran und dann den Irak zurückgekehrt und war hier, um zu predigen, und ich hatte eine islamistische Ideologie und keinerlei Absichten, in diesem Land irgendetwas mit Christen oder Juden zu tun zu haben.“

Dann hielt ein Auto an, aus dem ein Jude in seiner vollen traditionellen Kleidung stieg (Hut, Zöpfe, schwarze Weste, weißes Hemd). Imam Tawhidi erzählt, was sein Gedanke damals war: „Wirklich, Gott? Wirklich? Aus all diesen ordentlichen Menschen sendest du mir einen Juden?“ (bei 08:39) Tawhidi erwähnt, dass ihm heute diese Gedanken und seine folgenden Worte und Taten unangenehm sind, und er sie nur erzählt, um seinen Wandel zu verdeutlichen. Der Jude fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. Tawhidi fragte rhetorisch, ob er denn ein Automechaniker sei, und versuchte, ihn fortzujagen. Obwohl der Highway nachts stockdunkel und ein unheimlicher Ort sei, habe er lieber im Auto übernachten wollen, als sich von einem Juden helfen zu lassen. Der Jude ging zurück in sein Auto, denn es hatte erneut zu regnen begonnen, und sagte, dass er sich nicht vom Fleck rühren würde. Tawhidi beschimpfte ihn mit obszönen Wörtern und war schließlich fast soweit, auf das Auto des Juden einzuschlagen. Schließlich fuhr der Jude zum Schein fort, kam jedoch langsam im Rückwärtsgang zurück. Erst danach ließ Tawhidi sich überreden, sich nach Echuca fahren zu lassen, um dort in einem Motel übernachten zu können. Er nahm auf dem Rücksitz Platz, um auf Distanz zu dem jüdischen Mann zu bleiben. Der Jude lieferte ihn beim Motel ab und fuhr anschließend fort. Die beiden Männer trafen sich nie wieder. Tawhidi sagt (bei 14:53): „Ich habe den Kerl später nie wieder getroffen, und da ist dieses Bedauern in mir: Ich wünschte, ich hätte diese Person nicht so behandelt. Aber ich wusste es damals nicht besser. So wurde ich aufgezogen, und so war die Gemeinschaft, aus der ich komme. […] Als ich wieder [via Taxi] an dem Ort ankam, wo all dies gestern passiert war, war ich sehr berührt, von dem, was er getan hat. […] Und ich dachte mir: Ich war hier, mitten in der Nacht, mitten im Nirgendwo, und dieser Mann […] war sehr nett zu mir gewesen, hatte weder Geld noch irgendetwas gewollt, hatte darauf bestanden, mir zu helfen. […] Ich war sehr, sehr berührt, von dem, was er getan hat.“

Tawhidi ließ sich von seinen Cousins abholen, die ihn fragten, wie er hier gelandet sei und wo er die Nacht verbracht habe. Er wollte ihnen jedoch nicht verraten, dass ein jüdischer Mann ihm geholfen hatte, weil es beschämend war. „Aber tief in meinem Inneren wusste ich: Was der Mann getan hat, war ehrenhaft gewesen. Extrem ehrenhaft. Und ich habe mir geschworen, falls ich diesen Mann jemals wieder sehen sollte, würde ich ihm die größte Umarmung aller Zeiten geben. […] Und wegen diesem jüdischen Mann, wegen seiner Hilfe, habe ich viele Stunden mit Fahrten zwischen Melbourne und Shepparton verbracht […] und hielt für jeden Mann und jede Frau an, deren Auto liegengeblieben war, und half ihnen. Warum? Weil dieser jüdische Mann es mich gelehrt hatte.“

„Ich hielt für eine Lady an, die Angst vor einer Riesenkrabbenspinne (Huntsman Spider) in ihrem Auto hatte, und wartete, bis ihr Freund kam, um sie abzuholen, denn sie würde nicht mehr mit diesem Auto fahren. Ich wartete gut und gerne zwei bis drei Stunden. Es war wegen dieses jüdischen Mannes.“

Tawhidi schildert außerdem, welche Mühen er auf sich nahm, um einem Mann zu helfen, der Kühlwasser brauchte. Tawhidi fuhr zu einer stillgelegten Tankstelle, durchsuchte den Müll nach Plastikflaschen, füllte diese mit Leitungswasser und fuhr mit ihnen wieder zurück, wobei er ein Flasche zwischen den Beinen einklemmen musste, da sie keinen Verschluss mehr hatte. Um wieder zu dem Mann zu kommen, musste er zwei Kehrtwenden machen und viel zusätzliche Strecke zurücklegen (das kennt man von deutschen Autobahnen). „Der Dank geht an diesen jüdischen Mann, der mich gelehrt hat, für Leute anzuhalten. Es ist niemals zu spät, zu lernen, niemals zu spät, sich zu verändern, ein besserer Mensch zu werden. […] Und dies ist einer der Hauptgründe, warum ich aufgehört habe, jüdische Menschen zu hassen. Und später habe ich begonnen, sie zu lieben. Und später habe ich eine Gemeinschaft gefunden, die mich herzlich annimmt, die jedes menschliche Wesen herzlich annimmt. Und so begann meine Freundschaft mit der jüdischen Gemeinschaft. […] Auch wenn manchen Zuschauern dies alles sehr simpel erscheint, war dies eine sehr besondere Geschichte, und es war eine sehr wichtige Geschichte. […] und es hat mein Leben verändert.

Früher noch hatte Tawhidi Hass auf Juden gepredigt, wie man in diesem, von ihm selbst geposteten Video sehen kann. Heute setzt er sich für eine Freundschaft aller Religionen, aller Menschen ein. Ein Muslim ist er dennoch geblieben, was ihm harsche Kritik von manchen Ex-Muslimen einbringt, die den Islam für unreformierbar und seine Arbeit in der muslimischen Gemeinde damit für sinnlos halten.

Menschen, die Gutes tun, sind inspirierend und können uns als Vorbild dienen. Es wäre jedoch langweilig und überflüssig, lediglich diesen Gedanken zu äußern. Viel interessanter finde ich, dass eine einzelne solche Hilfeleistung, wie der Jude sie vornahm, einen Menschen so verändern kann. Ich denke, je stärker die Abneigung zwischen zwei Gruppen ist, desto stärker und beeindruckender für das Gegenüber wirkt gerade dadurch die freundliche Tat. Das ist ein sehr nützlicher Effekt, den wir uns merken sollten1.

Tawhidi wurde im Iran geboren und zu einem schiitischen Muslim erzogen. Sein Judenhass war nicht nur eine Fassade, die er als Imam öffentlich zur Schau stellte. Sonst hätte er den Juden, mit dem er ganz allein war, nicht wie geschildert behandelt. Wie es der Zufall will, hat Tawhidi heute dieses Foto bei Facebook gepostet:

(Quelle)
  1. Siehe auch Feindesliebe

Ein Kommentar

  1. Lars

    Das ist sehr beeindruckend.

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