Auf Facebook bin ich auf ein islamistisches, gewaltverherrlichendes Video gestoßen.
Es folgen einige Screenshots mit den Untertiteln.
Im Freundeskreis habe ich mich wie folgt dazu geäußert:
Ultrakrasser Text! Ich wollte die Authentizität des Videos überprüfen und habe es auf YouTube gefunden. Dort allerdings ohne Untertitel.
Ich habe es erstmal mit dem Grund „Fördert Terrorismus“ angezeigt.Aber ich kann den Reiz verstehen, den solche Lieder für nationalistisch oder faschistisch eingestellte Menschen haben. Das Lied zusammen mit den Bildern fördert ein Wir-Gefühl. Genauer: ein „Wir gegen die anderen“-Gefühl. Bei deutschen Rechtsextremen sind ebenfalls Lieder vorzufinden, die eher heimatlich-gemütlich klingen, während der Inhalt hässlich und feindlich ist.
Bei YouTube hat das Lied aktuell 2310 Upvotes, 25 Downvotes. Dass es dort keine Untertitel hat, hat wohl auch zur kulturellen Einengung der Zielgruppe geführt. Arabisch oder Urdu (ich kann es nicht unterscheiden) ist da Voraussetzung.
Man beachte den Wagen ganz zu Anfang: „I hate France. Kick out french ambassador.“
https://exmuslims.org, von denen hier anscheinend die Untertitel stammen, sind übrigens eine seriöse Organisation, deswegen gehe ich von der Korrektheit aus. Auch wenn es unglaublich ist, dass das Video mit so einem Inhalt nach zwei Tagen und über 20.000 Views noch auf YouTube ist.
Das Video auf YouTube (falls es nicht doch endlich gelöscht wird):
Wie oben erwähnt, habe ich das Video gemeldet. Ich denke, dass der Meldungsgrund „Fördert Terrorismus“ gemäß Beschreibung zutreffend ist.
Von YouTube bekam ich kurz darauf den Bescheid, dass das Video nicht gesperrt wurde, da keine gesetzliche Grundlage dafür gefunden werden könne.
We’ve reviewed your request G- InX2fudeORbQy6wI5AVGXcp6AdKOx5 hN3TxOjo4wI and did not find grounds to restrict the URL(s) at issue under German law.
Ich versuchte es zwei weitere Male. Ich verwies auf das Video mit den Untertiteln und zitierte sogar Teile des Textes. Immer das gleiche Ergebnis: Hier wird offenbar weder gegen YouTubes eigene Maßstäbe bzgl. Hassrede, Terrorismus, Gewalt oder Ähnlichem verstoßen noch ist dieses Video gemäß Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu beanstanden.
Ein faschistisches Gesamtbild
An diesem Video lassen sich wie aus dem Bilderbuch typische Merkmale faschistischer Gruppierungen aufzählen:
- Beschwörung des „Wir“-Gefühls, zudem untermalt mit folkloristischer Musik
- Verwendung eines Ehrbegriffes, nach dem sich Mitglieder zu richten haben, und die Bereitschaft, dafür große Opfer zu bringen (Todesverachtung, Todeskult[efn_note]Ideologien, deren Mitglieder bereit sind, nicht nur zu töten, sondern auch zu sterben, sind sehr mächtig und kaum zu besiegen. Das war schon den Nazis bekannt. Das Motto der SS: „Den Tod geben und den Tod nehmen“. Zu beidem wird in diesem Video aufgerufen.[/efn_note]). Wer sich nicht dran hält, wird verstoßen: „Muslims that are cowards, deserve a destiny filled with dishonor“.
- Die Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv. Auch hierbei wieder die Wichtigkeit, persönliche Opfer für das Anliegen der Ideologie zu bringen: „We are happy to sacrifice our homes and our lives“
- Eine charismatische Führerfigur, die bezeichnenderweise z. B. bei 1:31 im Video ohne weiteren Kontext mehrfach aufblitzt. Auch das Thumbnail des Videos zeigt prominent den Anführer.
Khadim Hussain Rizvi
Die Führerfigur ist der am 19. November 2020 verstorbene Khadim Hussain Rizvi, der die Todesstrafe für Blasphemie forderte und eine entsprechende Organisation (Tehreek-e-Labbaik Pakistan, dafür steht das TLP) gegründet hat. Selbst für Pakistan war er nicht tragbar:
Rizvi wurde wegen seiner Hasspredigen [sic] von der Provinzregierung des Punjab verwarnt und schließlich aus dem Staatsdienst entlassen.
Er war außerdem einer der Hetzer gegen Asia Bibi, deren Fall mir als schlimmste landesweite Hetzjagd zu meinen Lebzeiten im Gedächtnis geblieben ist.
Am 31. Oktober 2018 wurde die Christin Asia Bibi nach 8 Jahren Gefängnis entlassen. Sie wurde von muslimischen Frauen der Beleidigung des Propheten Mohammad beschuldigt und von einem Gericht daraufhin zum Tode verurteilt. Der oberste Gerichtshof jedoch kippte das Urteil und ordnete ihre Freilassung an. Das Gericht stellte weiter fest, dass die beschuldigenden Frauen kein Wahrheitsbewusstsein hätten und die Vorwürfe reine Erfindung seien. Dies führte dazu, dass Rizvi und die TLP landesweit Proteste organisierten. Rizvi forderte für Asia Bibi die Todesstrafe nach dem pakistanischen Strafgesetzbuch.
Mein Fazit
Nach drei ergebnislosen Meldungen dieses Videos habe ich kurz mit dem Gedanken gespielt, auf andere Art rechtlich vorzugehen. Aber da passen Kosten und Nutzen nicht. Wir stehen hier einem gesellschaftlichen Problem gegenüber, das politisch gelöst werden muss. Mein Beitrag soll vorerst nur sein, diesen Fall zu protokollieren. Ich kann jetzt sarkastisch allen Neonazis viel Spaß wünschen, ihre nationalistischen Videos samt fremdenfeindlicher Lieder auf ihrer neuen Lieblingsplattform YouTube zu verbreiten. Was nach YouTubes Standards oder dem NetzDG in der Praxis gesperrt werden sollte, wäre vielleicht interessant zu ergründen, aber in solche Untiefen will ich mich gar nicht begeben. Ein Video wie das besprochene reicht mir schon, um mir den Tag zu verderben.
(Mittlerweile steht das Video bei 3366 Likes und 52 Dislikes.)