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Im Straßenverkehr auf seinem Recht bestehen

Neulich ging in Twitter folgender Beitrag um:

Die Situation: Ein Kleinlaster hatte das Hindernis an seiner Seite (das Auto links im Bild) und wollte daran vorbeifahren, wobei er kurz auf die Fahrradstraße geriet. Das ist erlaubt. Jedoch hatte er die Fahrradfahrerin zu spät gesehen und musste neben dem Hindernis anhalten, da er sie offenbar nicht überfahren wollte. Die Radfahrerin blieb stehen und ließ ihn nicht mehr nach vorne, womit es ihm nicht mehr möglich war, auf seine Fahrspur einzuscheren. Die Radfahrerin setzte während ihrer Blockade unter dem Account @LaSuze7 diverse Tweets ab, in denen sehr deutlich wurde, dass sie ihr Handeln für gerechtfertigt hielt.

Es ist faszinierend, welche Wandlung mit vielen Menschen im Straßenverkehr geschieht. Da wird auf dem eigenen Recht bestanden, selbst wenn es zum Schaden aller Beteiligten gereicht. Die Twitter-Benutzerin war besonders leidensfähig: Sie hielt etwa 40 min lang durch. Die Polizei meldete sich freundlicherweise in der Diskussion und wies auf die gegenseitige Rücksicht gemäß StVO hin. Wie hartnäckig (euphemistisch ausgedrückt) LaSuze ist, merkt man insbesondere an dem Tweet, in dem sie darauf hinweist, dass bereits 50 Radfahrer an ihr vorbeigefahren sind. Das sind doch wahrhaftig viele Leute, die sprichwörtlich „mit gutem Beispiel vorangingen“. Anscheinend waren es nicht genug. Weil sie auf ihrem Recht bestehen will. Nebenbei hat sie die 50 Radfahrer damit erst genötigt, einen Umweg zu fahren.
Jeder macht mal einen Fehler im Straßenverkehr und kann als Nebeneffekt die Ausübung der Rechte eines anderen Verkehrsteilnehmers einschränken. Rücksichtnahme sollte dabei selbstverständlich sein. Auch wird in der Fahrschule bereits das defensive Fahren gelehrt. LaSuze zeigt in ihren Tweets den typischen Tunnelblick, den Menschen im Straßenverkehr oft bekommen. Dieser Tunnelblick engt sich hier auf den Sachverhalt ein: „Ich bin auf der Fahrradstraße, ich sitze auf einem Fahrrad, ich bin im Recht.“ Wahrscheinlich kam noch Selbstjustiz dazu: „Ich werde ihn für sein Fehlverhalten bestrafen.“ Und Stolz: „Ich werde nicht nachgeben, dann hätte ich verloren.“ Warum sie einfach hätte vorbeifahren sollen, lässt sich mit einigen Punkten begründen:

  1. Die Situation wäre sofort aufgelöst worden.
  2. Sie hätte den Verkehrsfluss nicht mehr behindert, dessen Wichtigkeit oft hervorgehoben wird (StVO, Fahrschule).
  3. Sie wäre dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß StVO gefolgt.
  4. Sie hätte sich nicht dem Verdacht ausgesetzt, Selbstjustiz zu üben.
  5. Das Zurücksetzen des Kleinlasters wurde vom Fahrer als zu gefährlich eingeschätzt. Die Polizei schrieb, dass dies „deutlich gefahrenträchtiger“ gewesen wäre.

Dennoch hatte LaSuze einige Twitter-Nutzer auf ihrer Seite. Sie alle scheinen die persönliche Vorfahrt (die gerade in dieser statischen Situation ein sehr kleinlicher Streitpunkt ist) als Fahrradfahrer für wesentlich wichtiger zu halten als ein rücksichtsvolles Miteinander im Straßenverkehr.
Wir sollten dieses schöne Beispiel als Anregung zur Reflexion nehmen. Ist es stets gerechtfertigt, auf seinem Recht zu bestehen? Was könnte einem sklavisch nach StVO ablaufenden Verkehr passieren, wenn es zu einer Unregelmäßigkeit (menschlicher Fehler) kommt? Wie vereinen wir die starren Gesetze mit der chaotischen und komplexen Realität?

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